Da sitze ich so und lese Zeitung und plötzlich ist da der Artikel, den ich vor einiger Zeit geschrieben habe. Der Standard – Sonderbeilage „Karriere“ (ist nicht im Internet beim Standard) 156 Seiten und Klebebindung – sieht doch schon viel innovativer aus. Und das Beste – dieses Heft bleibt (so hat man mir gesagt) in vielen Vorzimmern als Lesestoff ein ganzes Jahr liegen.

DerStandard – Sonderbeilage – Schaffar

Mein Orginaltitel war offensichtlich etwas zu „wissenschaftlich“? Hier auch der Orginaltext:
Das No-free-Lunch-Theorem in der Innovationspraxis
Der Autor ist unverdächtig. Er möchte dem Leser sicher keine teure Spezialberatung zur Umorganisation des Innovationshandlings für Ihre Firma verkaufen. Der Grund: wir machen Innovationen für Kunden im Bereich der Messtechnik, also keine Beratung.
Was hier festgehalten wurde, ist das Resultat von Literatur, vielen Erfahrungen und einem Werkzeug, das man nicht vergessen sollte: der (gesunde?) Menschenverstand. Und das No-free-Lunch-Theorem behauptet doch, dass es nichts umsonst gibt, was wohl sehr oft zutrifft.
Das Problem der betrieblichen Innovation gliedert sich offensichtlich in zwei Bereiche, einem der die Organisation betrifft und einem zweiten, der den einzelnen Arbeitnehmer betrifft. Das Gelingen oder Scheitern bei der betrieblichen Innovation hat seine Wurzel an diesem Schnittpunkt. Wobei etwas nicht außer Acht gelassen werden sollte, und dann beende ich die einleitenden Betrachtungen: auch Unternehmen bilden mit der Zeit eine Persönlichkeit aus (siehe die Literatur über Geisteskrankheiten von Firmen). Man kann daher die Aussagen, die für Mitarbeiter gedacht sind, sich auch für den Betrieb überlegen. Ob die Umkehrung sinnvoll ist, überlasse ich dem innovativen Leser.
Bleiben wir einmal bei der eigentlichen Schnittstelle – der Interaktion des Mitarbeiters mit der „Firma“. Da muss es jemanden geben mit dem der Angestellte kommunizieren kann. Klar, da ist physisch jemand, wenn aber der wirkliche Entscheidungsträger der Aktienkurs oder der Quartalsbericht ist, dann wird die Innovation auf der Stecke bleiben. Vor allem, wenn es eine langfristig zu verwirklichende ist. Firmen, die grundsätzlich jeden Vorschlag, der im Konzept über 3 Monate Rentabilität aufweist ablehnen, sind nicht selten – natürlich die, mit den Quartalszahlen. Innovationen sind aber im Durchschnitt nichts Kurzfristiges… vielleicht mit Ausnahme der innovativen Buchführung?
Die Innovationswilligkeit der Mitarbeiter ist der wichtigste Faktor, aber durch die „Implementierung“ von Wissensmanagement wird das oft zum Tod aller Innovationsbemühungen in Organisationen. Das Wissen oder auch nur der Verdacht reicht, dass das Wissensmanagement dazu verwendet wird, um das Know-how der alt gedienten Mitarbeiter abzugreifen … um sie dann zu verabschieden. Und aus ist es mit Innovation.
Eine etwas deviante Haltung von Unternehmen – um das böse Wort vom zweiten Absatz zu vermeiden, ist der mehr oder weniger ausgesprochene Grundsatz „Jedes Projekt ist bei uns ein Erfolg“. Mit nur einem Pol der Batterie ist es schwierig Licht zu bekommen. Damit werden die Innovationen sehr dünn, aber für den externen Beobachter ist das keine Überraschung. Denselben Effekt erreicht man, wenn ein Konzern „gesundgeschrumpft“ wird und die Schreibtische rechts und links verwaisen. Da wird die einzige gelebte Innovation oft das innovative Anhalten am Sessel sein. Auf diesen wenigen belebten Schreibtischen im Großraumbüro türmen sich dann die Mappen mit den zu innovativ zu bearbeitenden Problemstellungen. Diese Vorgangsweise übersieht einen schlichten Tatbestand:
Innovation brauch Ressourcen. Eine nicht sehr überraschende Aussage. Mit anderen Worten: wenn Innovation gewünscht ist, muss Vertrauen da sein, sowie Geld und Zeit in die Hand genommen werden. Damit ist wohl klar, Innovation ist kein Rettungsanker für abrutschende Firmen. Managemententscheidungen fußen zu einem hohen Prozentsatz auf dem Argument „Geld“. Das ist aber bei Ressourcen nicht in erster Linie gemeint – es ist Zeit und Freiheit gemeint. Wenn hinter Ihnen jemand mit der Stoppuhr steht, werden auch die Besten nicht die neue Verschraubung, die das aktuelle „Problem“ löst finden. Es braucht noch eine weitere, von der Firmenleitung gefürchtete Zutat: Unsicherheit und Freiheit. Ich kenne eine gute Firma, bei der sich die Mitarbeiter geheim nach der Arbeit treffen, um Innovationen zu besprechen und um nicht das auch noch reporten zu müssen. Unsicherheit ist ein inhärenter Bestandteil von Innovationen. Angebotene Methoden zu sicheren Innovation scheinen die Tautologie im Ansatz zu übersehen oder haben nichts mit Innovation zu tun. Sichere Lösungsansätze gibt es (fast) nicht. Alles Neue hat Unsicherheiten, und sei es die Kundenreaktion.
Womit wir bei den persönlich zu beeinflussenden Fakten sind. Fragen Sie sich doch selber – wann kommen Ihnen die besten Ideen? Ich frage das oft in Firmen. Die Antworten sind immer dieselben: im Bad, beim Heurigen, auf der Toilette. Wie kann man das wissenschaftlich zusammenfassen: es sind Zeiten ohne Druck und Zeiten in denen man nicht denkt. OK, nicht denken kann man auch als Schimpfwort verwenden, aber das meine ich nicht. Zen lehrt uns: „Kreativität entsteht in den Pausen zwischen den Gedanken“. Ein gutes Werkzeug“ ist da Meditation – Sie haben richtig gelesen. Gedankenleere kann man mit solchen jahrhunderte alten Methoden üben und die Praxis zeigt, das führt zu großem Erfolg. Man sollte sich allerdings überlegen ob man das jedem erzählt. Alte Methoden sind keine Modeerscheinung – japanische Kampfpiloten im zweiten Weltkrieg wurden zum Beispiel in Achtsamkeitsmeditation geschult. Die Armee ist sicher keine New-Age-Organisation. Achtsamkeit zu kultivieren ist privat und beruflich mehr als lohnend.
Den Druck in einer modernen Arbeitsumgebung kann man nicht wegzaubern, aber die eigene Einstellung dazu. Die Kreativbranchen sind da voraus, da kann man dem Chef sagen „ich ziehe mich ins Kaffeehaus auf eine halbe Stunde Kreativität zurück“. Auch der Termin mit sich selbst ist eine gute Methode, die man auch kommunizieren kann. Endlich einmal ungestört eine Stunde sich mit einem und nur einem Problem zu beschäftigen bringt sehr viel Problemlösungspotential. Sehr gute und praktische Bücher zu diesem Thema schreibt die Amerikanerin Joan Borysenko z.B. „Fried“ oder „It’s Not the End of the World“.
„Ich habe gewusst, das geht schief“ – wer hat das nicht schon selbst gesagt? Die gute Nachricht: Sie hatten eine zutreffende Ahnung. Also sind Sie ein erfolgreicher Antizipierer! Sie haben ein hohes Potential an Intuition. Haben Sie das schon einmal so gesehen? Mit anderen Worten brauchen Sie das “nur” umzudrehen – gehen Sie ihren “positiven” Intuitionen nach, geben Sie ihnen Raum, beachten Sie Ihre Gedanken, die kommen, wie sich etwas entwickeln könnte, was eine erfolgreiche Entwicklungslinie ist. Üben muss jeder selber. Das Thema hat auch damit zu tun, sich seiner Gefühle bewusst zu werden. Äußerungen in dieser Richtung sind zwar nicht üblich, aber versuchen Sie in Sitzungen das zu ändern, also relativ unverfängliche Sätze wie „… da habe ich ein gutes Gefühl dazu“ machen Sinn und ändern wirklich das Klima. Frauen wären hier im Vorteil, wenn sie sich in männlich dominierten Firmen nicht betont männlich in der Kommunikation gäben.
Besprechungen fallen oft in die Kategorie „Streuung des persönlichen Risikos“ und „niemand war schuld“. Innovation braucht aber das Bekenntnis, den Mut zum Risiko. Sitzungen haben eine eigene Dynamik – lesen Sie einen guten Artikel über dieses Thema und sie werden feststellen, dass daraus kein objektives Vorgehen entsteht. Selbst wirklich problemlösungszentrierte Sitzungen übersehen die innere Dynamik solcher Vorgehensweisen. Minderheitenmeinungen werden zum Beispiel fast nie geäußert. Eine andere Methode Verantwortung abzuschieben ist die Umfrage. Das kann sicher sehr seriös sein, aber bedenken Sie was Sie mit einem solchen Anruf, einem zugesandten Fragebogen machen – Antworten gibt es meist nur von Leuten, die nichts zu tun haben.
Ein Wort zur Kontrolle: Es ist völlig klar, dass man beispielsweise das Ausufern von Entwicklungsprojekten rechtzeitig bemerken muss. Stage-Gate-Prozesse sind da sicher ein gutes Werkzeug. Aber bitte nicht in der ersten, prinzipiellen Phase. Wenn es um 3 Arbeitstage zur Konkretisierung einer Idee geht, für ein paar Rechnungen oder Versuche, dann sollten nicht 17 Unterschriften notwendig sein.
Das Wichtigste habe ich zum Schluss aufgespart: die Hussiten. Was haben die Hussiten und die Hussitenkriege mit Innovation zu tun? Ganz einfach, sie waren überzeugt von dem, wofür sie kämpften, sie sahen einen Sinn, eine persönliche Aufgabe in dem wofür sie kämpften. Und sie waren gefürchtet Krieger. Wo andere Parteien ihre Söldner hoch bezahlen mussten, gingen sie freiwillig in den Kampf. Der Innovationsvorgang muss für den Mitarbeiter also ein Bedürfnis sein, einen nachvollziehbaren Sinn machen. Im Idealfall einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Das ist vielleicht auch der Grund warum die Mitarbeiter und Firmen, die sich der Gemeinwohlökonomie verschrieben oder angenähert haben, so zäh und erfolgreich sind –sie haben ein Sendungsbewusstsein. Und dass Geld nur ein schwacher Motivator ist, hat sich ja schon herumgesprochen.
Die schwächere Schiene in dieser Kategorie ist „es muss Spaß machen“. Das ist dann eben soziale Anerkennung und die Party für den Innovator. Aber seien wir realistisch, das eigene Bild auf dem Firmenintranet, das Diplom vom Chef, die Gratulations-Email von „oben“ ist lieb aber für normale Menschen keine wirkliche Motivation.
Stimmt wohl – das gratis Mittagessen ist selten, womit wir wieder beim Titel angelangt sind.
Dipl.-Ing. Dr. Gottfried Schaffar ist Eigentümer des privaten Forschungsinstituts für technische Physik, ist Autor des Buches „Radikale Innovation und grundsätzliche Problemlösungen finden – ein Praxishandbuch“ und schreibt jede Woche einen eigenwilligen Artikel über Innovation auf https://innovation1.wordpress.com/
Link zur „normalen“ Karriere http://derstandard.at/Karriere